Ostern in Thüringen
Veranstaltungen und Osterbräuche aus dem Freistaat: Haseneiersuche und Steckenpferdreiten, geschmückte Brunnen und launige Spaziergänge.
Als Goethe 1775 nach Weimar kommt, eilt ihm der Ruf des jugendlichen Heißsporns voraus. Sein „Werther“ ist in aller Munde, und die Weimarer Hofdamen sind begierig, den Mann kennenzulernen, der die Damenwelt in helle Aufregung versetzt hat. Bald schon fliegt ihm das Herz besonders einer Dame zu.
Screenshot zu dem OTZ-Artikel „Ostern in Thüringen“
Doch nicht nur Charlotte von Stein erobert der Dichter, auch die Kinder in Weimar macht er glücklich. Und zwar mit einem Osterbrauch, der in der Stadt an der Ilm bis dato eher unbekannt ist: das Haseneiersuchen.
So, wie er es aus seiner Kindheit in Frankfurt am Main kennt, versteckt Goethe für die Mädchen und Jungen aus seinem Umfeld, besonders natürlich für seinen Liebling Fritz von Stein, am Gründonnerstag farbig verzierte Haseneier im Garten an der Ilm und anderswo. „Der Umgang mit Kindern macht mich froh und jung“, bekennt der Dichter und begrüßt die „kleinen Menschengesichter“ häufig in seiner Wohnung.
Das größte Fest für den Kinderkreis um Goethe ist offensichtlich das Haseneiersuchen. Der Dichter Friedrich von Matthisson erinnert sich: „Er gab ein Kinderfest in seinem Garten. Es galt, Ostereier aufzuwittern. Die muntere Jugend, worunter auch die kleinen Herder und Wieland waren, zerschlug sich durch den Garten und balgte sich bei dem Entdecken der schlau versteckten Schätze mitunter nicht wenig…“ Bis zum Sonnenuntergang soll Goethe mit den Kindern beisammen gewesen sein. Rechnungen aus seinem Nachlass belegen, dass er sogar eine Art Naschpyramide errichten ließ, eine Kletterstange, an deren oberen Ende ein Gestell mit allerhand Zuckerwerk aufgehangen wurde. Die Geschicktesten fühlten sich wie im Schlaraffenland.
Warum Goethe seine Ostereier Haseneier nannte, und wer als Erster behauptet hat, dass „Meister Lampe“ zu Ostern die Eier bringt – darüber ließe sich trefflich streiten. Zumal seinerzeit in Erfurt oder Gotha der Hahn dafür zuständig gewesen sein soll, in der Region um Suhl der Storch und in der Luther-Gemeinde Möhra bei Eisenach sogar der Kuckuck.
Wie auch immer. Das Haseneiersuchen hat sich in Weimar bis heute erhalten. Die Klassik-Stiftung versteckt alljährlich am Gründonnerstag am Hang hinter dem Gartenhaus im Park an der Ilm bunte Eier für die Kinder aus Weimar und Umgebung. Und auch im Park von Schloss Kochberg, dem einstigen Landsitz Charlotte von Steins, haben Gartenmeisterin Simone Jahn und ihre Mannschaft in diesem Jahr für die Mädchen und Jungen des Kindergartens erstmals Haseneier versteckt. Ob Hasen- oder Ostereier – suchen und finden kann man sie in diesen Tagen vielerorts in Ostthüringen. Auf der Leuchtenburg bei Kahla, auf der an diesem Wochenende ein Mittelalter-Spektakel tobt, versteckt der Osterhase seit 22 Jahren die bunten Schätze. Nach Auskunft von Stiftungsmitarbeiterin Ilka Kunze können die Besucher Ostermontag exakt 1111 bunter Eier entdecken. Burgdrache Tatsu hilft den Jüngsten dabei, und auch die Werkstatt des Osterhasen ist vor Ort.
Auf Burg Greifenstein hoch über Bad Blankenburg im Kreis Saalfeld-Rudolstadt lädt Falkner Ralf Schubach nach der Flugshow um 15 Uhr Ostersonntag und Ostermontag zur großen Ostereiersuche in seinem Adler- und Falkenhof ein. Wie viel Eier zu finden sein werden, weiß er nicht genau. „Darum kümmert sich meine Frau, und wie ich sie kenne, reichen die Eier dann sogar noch für mich“, meint er scherzend. Und natürlich dürfen die Besucher auch zu den Osterfeiertagen auf die Flugvorführungen auf Burg Greifenstein gespannt sein.
Unter den vielen Festen im Jahr wird Ostern auch in Thüringen besonders fröhlich gefeiert. Ob als Freude über die Auferstehung Jesu bei den Gläubigen, oder darüber, dass im Freien wieder alles zu grünen und blühen beginnt – das ist jedem selbst überlassen. Schon Wochen vor dem Fest jedenfalls werden Bäume und Sträucher mit bunten Eiern geschmückt, in manchen Orten nehmen sogar komplette Osterhasenfamilien aus Stroh oder Heu davor Platz.
In Langenwetzendorf im Landkreis Greiz zum Beispiel. Hier steht nicht nur vor fast jedem Haus ein schmucker Osterbaum. Hier werden seit gut zehn Jahren gleich zwei Osterbrunnen – im Park und am Anger – liebevoll dekoriert. Die Idee für diesen ganz besonderen Osterschmuck brachten die Langenwetzendorfer Senioren von einer Fahrt nach Franken mit. Seither binden jedes Jahr etwa zwölf Frauen fünf Stunden lang eine Krone aus Birkenreisig um ein Stahlgestell, das im Anschluss mit Tannenzweigen umwickelt und mit dreireihigen Ostereierketten geschmückt wird.
„Das Besondere an unseren Brunnen ist, dass wir dafür echte Eier benutzen, die von den Jugendlichen und den Senioren im Ort mit Acrylfarbe bemalt werden“, erzählt Kerstin Schuster, die Leiterin der Begegnungsstätte. Die Brunnen werden bereits eine Woche vor Gründonnerstag dekoriert und sind dann – je nach Witterung – bis eine Woche nach Ostern zu sehen. Jedes Jahr kommen neue Attraktionen dazu, mittlerweile tummelt sich eine große Hasenschar auf dem Gelände, und auch die Schar der Neugierigen, die nach Langenwetzendorf kommen, um die Osterbrunnen zu bestaunen, wird von Jahr zu Jahr größer.
Was den Sorben in der Lausitz der mehr als 500 Jahre alte Brauch des Osterreitens ist, wird in abgewandelter Form in der Eichsfeld-Stadt Dingelstädt vor allem von den Kindern gefeiert: das Steckenpferdreiten. Immer Ostermontag, ab 14 Uhr etwa, treffen sich die Mädchen und Jungen der Stadt und aus den Nachbardörfern mit ihren geschmückten, hölzernen Steckenpferden vor der alten Wallfahrtskirche „Maria im Busch“ und reiten um das Gotteshaus. Auf dem Rücken tragen sie kleine Körbe, die mit farbigem Papier beklebt oder mit Ostermalerei verziert sind. Dabei klingeln an den Pferdeköpfen befestigte Glöckchen. Wenn der Pfarrer die Gäste begrüßt hat, beginnt der Ritt um die Kirche. Die Erwachsenen bilden ein Spalier und legen Süßigkeiten in die Körbe. Und erst, wenn diese gut gefüllt sind, geben sich die Kinder zufrieden.
Der Brauch geht auf die mittelalterlichen Flurumritte zurück, bei denen die Bauern hoch zu Pferd ihre Felder und Wiesen umrundeten, Gemarkungen absteckten und Arbeiten festlegten, erzählt der Ortschronist Ewald Holbein. Nicht selten sei es dabei zu Handgreiflichkeiten gekommen, weshalb der Mainzer Erzbischof 1726 diese Flurumritte verbot. Die Dingelstädter müssen pfiffige, vor allem trotzige Leute gewesen sein. Sie schnitzten ihren Kindern kurzerhand Steckenpferde – und setzten die Umritte fort. „Manche Steckenpferde sind mehr als 50 Jahre alt und werden von Generation zu Generation weitergereicht“, weiß Ewald Holbein. Der Ortschronist kennt zudem eine Sage, die den Brauch im Dreißigjährigen Krieg verortet: Seinerzeit wollte ein schwedischer Reiter die Wallfahrtskirche plündern, sein Pferd aber bäumte sich vor der Kirche auf, so dass die Hufeisen gegen die Kirchentür flogen und dort hängenblieben. Erschrocken suchte der Reiter das Weite, die Hufeisen aber sollen sich noch lange an der Kirchentür befunden haben. Was ist Dichtung, was Wahrheit? Es heißt jedenfalls, das Steckenpferdreiten soll aus Dankbarkeit über die Rettung des Gotteshauses bis heute Ostermontag gefeiert werden.
Nicht alle Osterbräuche in Thüringen sind so alt wie das Haseneiersuchen oder das Steckenpferdreiten. Im Liebhabertheater Schloss Kochberg unweit von Rudolstadt gibt es seit acht Jahren eine Tradition, die sich mittlerweile als „Osterspaziergang“ einen Namen gemacht hat. Dabei wird immer Ostersamstag, 17 Uhr, im um 1800 errichteten Theater die Osterszene aus Goethes „Faust“ gelesen. Doch was heißt gelesen: Die langjährigen Schauspieler des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Detlef Heintze und Christoph Heckel, bringen das vermutlich beliebteste Ostergedicht der Deutschen förmlich zum Klingen. In diesem Jahr ist die Veranstaltung bereits ausverkauft, dem anschließenden Osterspaziergang durch den wunderschönen Park in Großkochberg im Anschluss (zirka 17.45 Uhr) können sich Besucher aber gern anschließen. Und natürlich sind Osterspaziergänge überall in Thüringen an diesem Wochenende an keinen Termin gebunden.
Sabine Wagner / 18.04.14 / OTZ
Den Originalartikel lesen Sie bei der OTZ hier: Ostern in Thüringen