Fastenzeit
Der 40-tägige Zeitraum vor Ostern wird in den christlichen Kirchen als Fastenzeit bezeichnet. Mit Beten und Verzicht bereiten sich die Gläubigen so auf das Hochfest Ostern vor. In reformatorischen Kirchen wird auch der Name Passionszeit verwendet. Die römisch-katholische Kirche bezeichnet den Zeitraum dagegen als österliche Bußzeit, während in den orthodoxen Kirchen der Name „Heilige Fastenzeit“ bzw. „Große Fastenzeit“ gebräuchlich ist. Im Lateinischen heißt sie Quadragesima.
Die Fastenzeit in anderen Sprachen
- Großbritannien/USA/Australien (englisch): fasting period
- Frankreich (französisch): carême
- Polen (polnisch): Wielki Post
- Schweden (schwedisch): fasta
Neben der österlichen Fastenzeit kennt die Westkirche auch noch eine zweite Bußzeit, die 40 Tage dauert. Sie beginnt nach dem Martinstag am 11. November und erstreckt sich über den gesamten Advent vor Weihnachten.
Warum dauert die Fastenzeit 40 Tage?
Es gibt mehrere biblische Hintergründe, wo die Zahl 40 auftaucht. Zum einen fastete Jesu 40 Tage und 40 Nächte in der Wüste. Die Sintflut dauerte 40 Tage und das Volks Israel zog 40 Jahre durch die Wüste, um der ägyptischen Herrschaft zu entfliehen. Mose verbrachte ebenfalls 40 Tage auf dem Berg Sinai in der Gegenwart von Gott und empfing dabei die 10 Gebote. Die Stadt Ninive schaffte es, durch ein 40-tägiges Fasten und Büßen Gott dazu zu bewegen, den Untergang doch abzuwenden.
Die 40 Tage und Nächte der Buße und des Verzichts entstanden vermutlich in Rom gegen Ende des 4. Jahrhunderts. Damals begann man das Fasten am Invocavit, dem sechsten Sonntag vor Ostern. Es endete am Gründonnerstag. Dieser Tag ist vor allem für Büßer ein wichtiger Tag, denn hier können sie wieder zur Kommunion zugelassen werden – sofern die Kirche ihnen ihre Sünden vergibt. Im 5. Jahrhundert änderte sich der Ritus dahingehend, dass die Fastenregeln für die Sonntage aufgeweicht wurden und diese deswegen als kleine „Auferstehungstage“ aus der ursprünglichen Fastenzeit herausfielen. Um dennoch wieder auf einen Zeitraum von 40 Tagen zu kommen, wurde daher der Beginn der Fastenzeit auf den Aschermittwoch vorverlegt sowie die beiden Tage des Trauerfastens (Karfreitag und Karsamstag) mit in die Rechnung einbezogen. Es existiert darüber hinaus noch eine zweite Zählweise, die die Sonntage doch mit umfasst. Auch hier ist der Aschermittwoch der Beginn der Fastenzeit. Das Ende markiert der Palmsonntag. Mit ihm wiederum startet die Heilige Woche, die Karwoche. Sie gilt hier als gesonderter Abschnitt.
Die Fastenregeln waren im Mittelalter recht streng. Es war eigentlich nur eine Mahlzeit am Tag erlaubt, die die Menschen meist am Abend einnahmen. Gestattet waren jeweils 3 Bissen Brot und 3 Schluck Wasser bzw. Bier. Untersagt war das Verzehren von Fleisch, Milchprodukten, Alkohol und Eiern. Die Ursprünge des Brauches Ostereier zu kochen, um sie so länger haltbar zu machen und nach der Fastenzeit noch verzehren zu können, führt so mancher Experte auf die Fastenregeln zurück. Es ist daher auch nicht weiter verwunderlich, dass die Menschen in den Fastnachtstagen vor allem Backwerk mit Milch, Eiern, Zucker und Schmalz herstellten, um die verderblichen Vorräte aufzubrauchen. Die beliebten Faschingskrapfen (in mancher Region auch als Berliner oder Pfannkuchen bezeichnet) enthalten all jene, in der Fastenzeit verbotene Zutaten und sind daher eine typische Vor-Fastenspeise.
Die Fastenzeit in der katholischen Kirche
In der römisch-katholischen Kirche wird die Fastenzeit als österliche Bußzeit aufgefasst. Es gelten nicht nur besondere Speiseregeln sondern es wird zur allgemeinen Askese und Buße aufgefordert. Dafür sollen die Gläubigen das Gebet intensivieren und es wird zur häufigeren Teilnahme an Gottesdiensten und Andachten aufgerufen. Wer Buße tun will, kann sich auch stärker sozial engagieren und Werke der Nächstenliebe verrichten bzw. Almosen geben. In der katholischen Kirche sind die Sonntage sowie die Hochfeste (z. B. Josefstag oder Mariä Verkündigung) vom Fasten ausgenommen.
Katholische Gemeinden kennen die Tradition des Fastenessens. Hier kommen die Gemeindemitglieder zusammen und veranstalten ein Solidaritätsessen. Sehr häufig werden hierbei Spenden für Projekte in der Dritten Welt gesammelt. Beim Fastenessen wird auf den Sonntagsbraten verzichtet. Stattdessen gibt es einen ganz einfachen Eintopf oder es wird ein typisches Gericht aus dem jeweiligen Projektland gereicht.
Die Fastenzeit in der evangelischen Kirche
In den evangelischen Gemeinden wird das Fasten eher als eine Art individuelles Trainingsprogramm verstanden. So kann jedes Gemeindemitglied selbst bestimmen, auf was es verzichten möchte. Es gilt liebgewonnene Gewohnheiten zu durchbrechen und so zu einem einfacheren und vielleicht besseren Leben zu finden. Die einen verzichten auf Fleisch, die anderen auf Genussmittel wie Alkohol oder Schokolade. Auch Kindergärten beteiligen sich am Fasten. Hier verzichten die Kinder beispielsweise auf zu viel Spielzeug. Auch der bewusste Verzicht auf Internet und Fernsehen ist eine Form des Fastens. Durch den Verzicht sollen die Gläubigen zur Lebensfreude gewinnen, indem sie sich von unnötigem Ballast befreien. Außerdem soll die Achtsamkeit gegenüber den Bedürfnissen des eigenen Körpers aber auch der Mitmenschen gestärkt werden. Die Protestanten bereiten sich mit dem Fasten auf das Abendmahl vor.
Die Fastenzeit in anderen Religionen
Auch andere Glaubensbekenntnisse wie das Judentum oder der Islam kennen das Fasten als Zeichen der Demut vor Gott. Im Judentum ist Jom Kippur ein wichtiger Fastentag während der Islam sogar einen kompletten Fastenmonat – nämlich den Ramadan kennt.
Bräuche während der Fastenzeit
In München wird während der Fastenzeit seit Mitte des 15. Jahrhunderts das starke Fastenbier ausgeschenkt. Der Volksmund nennt die Fastenzeit daher auch Starkbierzeit. Das berühmte Starkbier „Salvator“ wurde erstmals von den Paulanermönchen gebraucht. Der Anstich fand im Salvatorkeller am Nockherberg statt. Es war ein Fest, dass den Ausschank zelebrierte. Es kam alles und jeder zusammen, der Rang und Namen hat. Politiker und wichtige Persönlichkeiten bekommen beim „Derblecken“ ihr Fett weg und müssen sich manche Spitze gefallen lassen. Seit 1871 wird darüber hinaus das Märzbier gebraut. Es hat einen hohen Stammwürzegehalt und ist deshalb länger haltbar. Um das Märzbier zu „vernichten“ und Platz für neues Bier zu machen, gibt es im Herbst in München dann das Oktoberfest.
In der Passionszeit finden in vielen Regionen Passionsspiele statt. Die bekannteste sind wohl die Oberammergauer Passionsspiele. Die Aufführung dauert mehrere Stunden, wo die Dorfbewohner von Oberammergau die letzten fünf Tage im Leben des Herrn Jesus Christus nachstellen. Nachweislich fand das erste Passionsspiel 1634 nach Überstehung der Pest statt. Das Passionsspiel findet allerdings nicht jedes Jahr statt sondern nur aller 10 Jahre und zwar immer im letzten Jahr des Jahrzehnts. Ausnahmen gab es im 20. Jahrhundert in den Jahren 1934 und 1984, wo an die 300 bzw. 350. Wiederkehr der ersten Aufführung erinnert wurde.
Sowohl in der katholischen als auch in der evangelische Kirche verhüllt das Fastentuch alle bildlichen Darstellungen von Jesus Christus – insbesondere das Kruzifix. Es hat umgangssprachlich auch die Namen Hungertuch, Palmtuch oder Schmachtlappen. Da das Tuch die Gemeinde vom Altarraum und den Reliquien trennt, können die Gläubigen dem Gottesdienst nur hörend folgen. Neben der körperlichen Buße tritt eine weitere Komponente: Das seelische Fasten. Im Volksmund existiert daher der Ausdruck „Am Hungertuch nagen“. Er bezieht sich allerdings nicht nur auf die rein materielle Armut. Heute erinnert das Hungertuch in vielen Kirchen auch an die Solidarität Gottes mit den Armen.
Bildquelle: Hortus Deliciarum. Moses führt das Volk Israel durch das Rote Meer. Gemalt um etwa 1180. Urheber Herrad von Landsberg. [Public domain], via Wikimedia Commons